Ein franziskanischer Brückenbauer für die Eine Welt


„Pater Kellerhoff öffnete unsere Augen und Herzen“

Vor über 800 Jahren war er der Auslöser

eines unerhörten Skandals in seiner

Heimat. Der einzige Sohn eines reichen

Kaufmanns legte vor den Augen von

Rat und Bischof seine Kleidung ab,

um endgültig seinen Verzicht auf das

elterliche Vermögen und ein Leben in

Armut zu geloben. Franziskus von Assisi

nahm das Evangelium ernst und löste

eine Bewegung aus, die bis heute ihre

Wirkung entfaltet. Was Ende des 20.

Jahrhunderts von den Kirchen als Einsatz

für „Frieden, Gerechtigkeit und die

Bewahrung der Schöpfung“ bezeichnet

wurde, hat Franziskus und seine

Gemeinschaft bereits gelebt.

So prägte der franziskanische Geist auch unsere Stadt über die Zeit der Klöster in der Altstadt (1642-1835) und Stuckenbusch (1900-1978) hinaus. Pater Reinhard Kellerhoff war in Recklinghausen

über zwei Jahrzehnte präsent – als Brückenbauer für die Anliegen der Einen Welt. Seit 1983 hatte er von Werl aus die Leitung der „Franziskaner-Mission“

übernommen und war damit weltweit in

Südamerika, Afrika und Asien vernetzt. Mit den Recklinghäusern schuf er Brücken zum „Armenhaus Brasiliens“. Für das Leben im Nordosten engagierten

sich auch Mitbrüder aus dem Vest, wie z.B. Hans Zillner

Pater Reinhard bei der Spendenübergabe

durch die SV-Sprecherin Astrid Rauch in der

Petrinum-Aula 1999 (Foto: RZ Grochowski)                                                                                        So prägte der franziskanische Geist auch unsere Stadt über die Zeit der Klöster in der Altstadt (1642-1835) und Stuckenbusch (1900-1978) hinaus. Pater Reinhard Kellerhoff war in Recklinghausen über zwei Jahrzehnte präsent – als Brückenbauer

für die Anliegen der Einen Welt. Seit 1983 hatte er von Werl aus die Leitung der „Franziskaner-Mission“ übernommen und war damit weltweit in Südamerika, Afrika und Asien vernetzt. Mit den Recklinghäusern schuf er Brücken zum „Armenhaus

Brasiliens“. Für das Leben im Nordosten engagierten sich auch Mitbrüder aus dem Vest, wie z.B. Hans Zillner (Recklinghausen) oder Hermann Weßenbom (Kirchhellen). Kritisch betrachtete P. Reinhard die

Sensationsfixierung unserer Mediengesellschaft,

die auf akute Hungersnöte, Katastrophen oder Kriege zwar kurzfristig reagiere: „Aber sobald die Fernsehkameras abgebaut sind, sind die Betroffenen kein Thema mehr. Ihr Schicksal wird überrollt von anderen Katastrophen und Schlagzeilen. Sie

versinken wieder in der Masse der ‚Armen dieser Welt.‘“ Dem setzte er die nachhaltige Arbeit mit den Menschen vor Ort entgegen: „Immer erarbeiten wir mit den Menschen Lösungen und Schritte zur Veränderung“ Und im Sinne des Ordensgründers verpflichten wir uns

„zur lebenslangen Nähe zu den Armen.“

Nach der Gemeinde St. Peter, die zuerst in

Piripiri aktiv geworden war, unterstützte

und begleitete er die Kontaktaufnahme

von St. Elisabeth mit der Gemeinde Sao

Raimundo in Teresina. Gabriele Leinert

erinnert sich an den Open-Air-Gottesdienst

am Himmelfahrtstag 1986 und viele weitere Begegnungen: „Er öffnete uns die Augen für die Armut in Brasilien und die Herzen“. So erlebten ihn auch der Eine- Welt-Kreis des Petrinum und die Kohlkampschule bei den Partnerschaften mit Bildungsprojekten in

Bacabal und Sao Luis. Wenn der Franziskaner sprach, wurde es in den

gut gefüllten Kirchen, Sporthallen oder Schulaulen ruhig. Unterstützt von beeindruckenden Dias gab er den bedrückenden Lebenssituationen ein

Gesicht: Säuglingssterblichkeit, Kinderarbeit,

Analphabetismus, Arbeits- und Obdachlosigkeit waren nicht mehr abstrakt, sondern hatten menschliche Namen. Die Zuhörerschaft begegnete Menschen, die er mit seinem phänomenalen Gedächtnis

und mit Empathie vorstellte.

Führung durch Pater Reinhards Krippenausstellung in Werl 2020 (Foto)

 

Pater Reinhard kritisierte Unterdrückung und weltweit ungerechte Handelsstrukturen. Das war für ihn untrennbar mit der aktiven Hilfe verbunden :„Wir müssen viel mehr für gerechtere Strukturen kämpfen, aber wir dürfen nicht den konkreten Menschen übersehen.“ Auch die Besuche in dem vom ihm gegründeten Bildungshaus und Museum „Forum der Völker“ in

Werl hinterließen bleibende Eindrücke. Angesichts der Nachbildung der kleinen Hütte einer Favela, einem der typischen Elendsviertel Brasiliens, konnten sich Besucher ansatzweise „ein Bild“ von

Lebensverhältnissen machen. Für den Ausbau und Projekte des Forums engagierte er sich bis ins hohe Alter weiter, nachdem er sein Amt an Bruder Augustinus Diekmann übergeben hatte. Zuletzt führte der inzwischen 86-Jährige im Januar 2019

eine Gruppe des Vereins für Orts- und Heimatkunde durch eine Sonderausstellung. Die unglaubliche Vielfalt der von ihm gesammelten Krippen aus aller Welt faszinierte. Vor allem spiegelten sich die

Lebensverhältnisse wie in abgelegenen Dörfern Tansanias, peruanischen Indiosiedlungen oder Elendsvierteln Brasiliens in ihnen wider. Erneut

bestach Pater Reinhard durch seine menschliche Nähe: Viele Exponate erhielten ein „Gesicht“ durch die Geschichte ihrer Hersteller und ihrer Familien.

Noch im selben Jahr zog er um in das Kloster Paderborn und litt ab 2020 unter seiner Erblindung. In seinem berühmten Sonnengesang nannte Franz

von Assisi den Tod seinen „Bruder“. Der Franziskaner Reinhard formulierte es so: „Gott kann mich jetzt holen.“ Am 29. März 2022 starb ein überzeugender

und erfolgreicher „Brückenbauer“, der uns

Recklinghäuser franziskanisch begleitet hat.